Leserbrief

Rudern auf dem Trockenen – ein modernes Märchen

In der Bonner Rundschau war am 3.8.2016 zu lesen: „Es geht voran in unserer Stadt - Meckenheimer CDU sieht sich auf richtigem Kurs". In dem Artikel hieß es u. a.: „Unser Bürgermeister arbeitet gemeinsam mit dem Fraktionsvorsitzenden und seiner Ratsmannschaft weiter intensiv und mit hoher Schlagzahl an wichtigen Zukunftsprojekten".

Dies war Anlass für nachfolgenden Leserbrief an die Rundschau, der dort offenkundig keinen Anklang fand und nicht veröffentlicht wurde.

Es war einmal ein Ruderverein. Dieser hatte eine eigene Ruderstrecke, auf der jedes Jahr eine Regatta ausgerichtet wurde. Die Ruderstrecke war wohlgefüllt mit Wasser. Im Jahre 2009 hatten die Boote noch 79 Zentimeter Wasser unterm Kiel. Die zahlreichen Fans freuten sich, wenn jedes Jahr das Boot mit der größten Besatzung gewann. Es war das Boot der CDU, gelenkt durch ihren Steuermann, das den Konkurrenten der anderen Boote keine Chance ließ. Vor lauter Freude wählten die Fans den Steuermann des CDU-Bootes sogar noch zum Steuermann des Vereins.

Die Siege des CDU-Bootes forderten jedoch ihren Preis. Steuermann, Schlagmann und Rudermannschaft waren nach jedem Sieg so erschöpft, dass sie sich am Wasser der Vereins-Ruderstrecke laben mussten. Erschrocken stellen sie fest, dass der Wasserpegel daraufhin in jedem Jahr sank und die Boote bei jeder Regatta immer weniger Wasser unter dem Kiel hatten. Steuermann und Schlagmann des CDU-Bootes focht dies aber nicht an. Den Fans verkündeten sie unisono und jährlich: „Wir konsolidieren den Pegelstand“.

Im Jahre 2016 musste der Vereinssteuermann zugeben, dass der Pegelstand für die diesjährige Regatta nicht mehr ausreichte. Es zeigte sich, dass der Pegelstand bis auf nur noch 24 Zentimeter absinken würde. Zu wenig fürs Rudern. Er holte sich Hilfe beim Ruderverband. Dieser mahnte an, dass die Mannschaft des CDU-Bootes sich nicht mehr am Wasser der vereinseigenen Ruderstrecke laben sollte. Auch sollten die zahlreichen Fans, egal ob Fans des CDU-Bootes oder die der anderen Boote, auf eigene Kosten Wasser in die Ruderstrecke einleiten.

Steuermann, Schlagmann und Rudermannschaft des CDU-Bootes freuten sich ob dieser Botschaft. Den Vorwurf des Ruderverbandes, sie hätten sich zu viel am vereinseigenen Wasser gelabt, wiesen sie jedoch entschieden zurück: „Das waren die anderen, nicht wir.“

Sie hörten nicht auf, sich selbst zu loben. Und während sie sich auch weiterhin am immer knapper werdenden Wasser labten, verkündeten sie den Fans, dass sie ihr Boot nunmehr intensiv und mit ganz besonders hoher Schlagkraft vorwärts bewegen würden. Allein, sie merkten noch immer nicht, dass sie mit ihrem Boot längst auf dem Trockenen saßen…

„Honi soit qui mal y pense“ oder auf Deutsch: „Ein Schuft, wer Böses dabei denkt!“

Willi Niederehe, Meckenheim

Hinweis: Die Zahlen 79 und 24 stellen die Eigenkapitalentwicklung der Stadt in den genannten Jahren dar.